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Health

„Die hat schon wieder abgesagt!“ – Endometriose im Alltag

Wärmekissen und Medikamente bei Endometriose

Egal, welche chronische Krankheit jemand hat, man nimmt sie immer mit in den Alltag und ein Tag wird stets von der Krankheit beeinflusst. Entscheidungen werden danach getroffen, ob sie den derzeitigen Gesundheitszustand beeinflussen oder ob man ohne Sorgen ein bestimmtes Gericht essen oder eine Aktivität ausführen kann.

Endometriose ist eine dieser Krankheiten, die den kompletten Tag einer Frau bestimmen. Es beginnt am Morgen und endet leider nicht immer mit dem Zubettgehen am Abend. Es gibt gute und schlechte Tage und jede Erkrankte freut sich über einen guten Tag. Doch sich mit gesunden Menschen und dem, was sie am Tag alles machen können zu vergleichen, führt nur zu Frustration.
Ein Tag kann positiv beginnen und hat man einmal das Falsche gegessen, wird aus dem eben noch so schönen Tag ein Schmerz-Tag und man möchte sich in Fötus-Position auf dem Bett einrollen und weinen.

Ein Tag ohne Endometriose – mein Uterus lacht mich aus

Es gibt viele Situationen, in denen auch Freunde und Familie nicht verstehen, wenn man Pläne absagen und verschieben muss. Zu selten wird verstanden, dass man die Entscheidung nicht allein trifft, sondern diese von der Krankheit bestimmt wird. „Ha, glaubst du wirklich, du kannst nach diesem anstrengenden Arbeitstag wirklich noch zum Sport gehen?“, sagen die miesen Endometriose-Herde in meinem Bauch schon einmal, wenn ich motiviert meine Sportsachen direkt mit auf die Arbeit genommen habe. „Die Woche hatte schon fünf Tage. Wir geben dir jetzt erst einmal richtig schöne Bauchkrämpfe und du überlegst dir zweimal, ob du den Wein mit den Mädels heute Abend wirklich trinken möchtest.“

Die Endometriose ist immer da und beeinflusst alles.

Essen

Schon vor der Diagnose habe ich sehr gesund gegessen und musste zum Glück nicht viel umstellen, um den Tag ein wenig beschwerdefreier zu überstehen. Einige Obstsorten kommen für mich aufgrund von Allergien nicht infrage. Die Endometriose schränkt die Auswahl meiner Mahlzeiten zusätzlich ein. Müsli? Gesund, funktioniert für mich aber nicht. Der Blähbauch ist da vorprogrammiert. Ein leckeres Porridge kann ich dagegen sehr gut essen. Ein Brötchen zum Frühstück? Schmeckt gut. Esse ich auch gelegentlich. Ich weiß aber, dass ich bei Backwaren aufpassen muss. Zu viel Gluten und Weizen sind nicht hilfreich. Rotes Fleisch kommt bei mir ohnehin nicht auf den Teller. Doch Patientinnen, die gerne mal ein Kotelett essen, sollten auch hierauf verzichten. Milchprodukte sollten in Maßen konsumiert werden. Und niemand nimmt mir meinen Käse! Soja fördert die Endometriose-Symptome und während mich Veganer beschwören möchten, wie gesund eine vegane Ernährungsform doch ist, sind Ersatzprodukte aus Soja für mich auch ausgeschlossen. Natürlich möchte ich auch mal einen leckeren Teller Nudeln essen oder eine riesige Pizza. Das mache ich auch. Dabei habe ich aber im Hinterkopf, dass es mir nach zehn Minuten vielleicht nicht mehr so gut geht und ich Richtung Bad flitzen muss.

Manchmal reagiere ich auf Gerichte, manchmal nicht. Und genau das macht es so schwer, zu wissen, was funktioniert oder was ich vielleicht zusätzlich von meinem Ernährungsplan streichen muss.

Verabredungen und Termine

So oft schon habe ich mich auf einen gemütlichen Abend mit Freunden gefreut. Ich wollte etwas mit ihnen trinken gehen. Gemütlich in meiner Stammkneipe sitzen und ein Bier schlürfen, das wäre schön. Und wer gönnt mir das verdiente Feierabend-Bier nicht? Die Endometriose. Dabei spielt es keine Rolle, ob ich vor Kurzem operiert wurde oder das Medikament gewechselt habe. Ich muss nur etwas Falsches gegessen haben und flitze in Richtung Toilette oder bin so aufgebläht, dass jeder Bauchkrampf mich zusammenzucken und kreidebleich werden lässt. Luft, die dann raus möchte, kann ich nicht einhalten. So kann ich das Haus gar nicht verlassen. Taucht der Blähbauch während der Arbeit auf, muss ich darauf verzichten, mit der Bahn nach Hause zu fahren, könnte mir doch etwas entfleuchen, was bei meinen Mitmenschen kaum auf Begeisterung stoßen würde. Ein Carsharing-Auto ist es also. Lasst das große Pupsen beginnen.

Sex

Sex ist toll! Aber was wäre eine richtige Endometriose, wenn sie nicht auch hier versuchen würde, mir den Spaß zu verderben? Einen tollen Partner zu haben, der sich bei Vorkommnissen sorgt und Fragen stellt, ist da besonders wichtig. Vor meiner letzten Operation hatte ich durch Verwachsungen der vorherigen OP irgendwann extreme Schmerzen beim Sex, die mir jedes gute Gefühl genommen haben. Jeder Stoß führte zu einem Schrei, der Männer dazu bewegte, nochmal richtig Gas zu geben. Schreie beim Sex sind schließlich etwas Gutes. Die Tränen, die mir dabei in die Augen stiegen, wurden auch schon als etwas Positives gedeutet. Das Gegenteil war der Fall. Schmerzen sind nicht angenehm. Das Gefühl zu haben, während etwas eigentlich Schönem von Innen zerrissen zu werden, ist nicht angenehm. Wenn es keine Schmerzen sind, sind es Blutungen, die urplötzlich auftauchen. Der Moment ist so peinlich, dass ich die Tränen in so einer Situation auch schon mal nicht zurückhalten konnte. Ich kann die Frage, ob ich meine Tage habe, dann verstehen, verneine diese und beginne die Erklärungen. Und dann verschwindet die Blutung genauso schnell, wie sie kam.

Arbeit

Ich habe noch keinen Tag auf der Arbeit gefehlt, weil ich Schmerzen hatte. Egal, wie es mir geht, ich gehe auf die Arbeit, dope mich mit Schmerzmitteln und erledige meine Aufgaben. „Du siehst aber gar nicht krank aus“, hörte ich schon von meinem Chef, als ich vor meiner letzten Operation berichtete, dass ich ins Krankenhaus müsse. Die Lieblingsaussage eines jeden Patienten mit chronischer Krankheit. Ich muss meine Krankheit nicht nach außen tragen. Ich lache auch mit Bauchkrämpfen und bin trotz Schmerzen freundlich. Die Endometriose kann mich in meiner Freizeit beeinflussen. Hier kann ich mich jederzeit dazu entscheiden, mich hinzulegen. Doch auch meinen Arbeitstag davon bestimmen lassen, möchte ich nicht. Und so sitze ich im Büro am Schreibtisch. Ich bin ruhig, höre Musik zur Ablenkung und arbeite. Schreiben ist super. Sprechen wird dagegen manchmal zur Herausforderung, denn nicht selten kämpfe ich mit „Brain Fog“. Ich weiß genau, was ich sagen will, aber mir fallen die einfachsten Wörter nicht ein. Das ist unglaublich frustrierend. Nicht selten werde ich schräg angesehen, wenn mir ein einfaches Wort wie „Tür“ einfach nicht einfällt. „Dings“ wird sehr gerne von mir genutzt. Ich bin erleichtert, dass der Hirnnebel mein Schreiben nicht beeinflusst.

Endometriose beeinflusst Betroffene in weit mehr Bereichen, als viele annehmen. Es sind nicht nur Krämpfe und Schmerzen. Jede Entscheidung wird mit Bedacht auf die chronische Krankheit getroffen. Eine Heilung gibt es nicht.